Mittwoch, 22. Juni 2011

Pressestimmen: Aljoscha - Objekt als Wesen

Göttinger Tageblatt: 17.06.2011

Blaue Tentakeln neben rotem Korallenast


Von Karoline Jirikowski-Winter

Von der Decke hängt ein Objekt in einem kräftigen Blau, dessen zarten Verästelungen, durch einen leichten Luftzug bewegt, wie ausgestreckte Tentakel wirken. Daneben an der Wand ist ein grell rotes Gebilde befestigt.
Fasziniert von Miniaturstrukturen: der ukrainische Künstler Aljoscha

Dieses erinnert mit seinen zierlichen Verzweigungen an einen Korallenast, und man könnte meinen, dieser wachse weiter, sobald man ihm den Rücken zudreht. Statisch und skulptural hingegen wirkt neben diesen ein Materialmix aus Stein, Holz, Acryl und drei fotografischen Linsen, der von einem fantasievoll geformten, transparenten Plexiglas-Mantel sanft umhüllt wird. An Schwämme, Moosflechten, Kristalle und mikroskopische Gebilde erinnern die Arbeiten des aus der Ukraine stammenden Künstlers Aljoscha. In der Schau „Objekt als Wesen“ zeigt das Apex einen Querschnitt seiner neuen Objekte, Zeichnungen und Fotografien.

Aktionen im öffentlichen Raum und Skulpturen, die wie Street Art inszeniert werden, haben Aljoscha in der Kunstwelt bekannt gemacht: So verkaufte sich ein monströs wachsend wirkendes Gebilde, das im Wühltisch eines Lebensmitteldiscounters platziert wurde, binnen 13 Minuten. Oder ein aus einem Kaugummiautomaten wucherndes Geflecht irritierte vorbeigehende Passanten. Mit seiner als „Bioism“ oder „Biofuturism“ bezeichneten Kunst lotet er die Ambivalenz zwischen kontrolliertem Wachstum und zufällig ablaufenden Prozessen aus. Werkstoff dieser organisch anmutenden Gebilde, ist Acrylfarbe, die in vielen Schichten fein aufgetragen und je nach Größe des Objekts durch ein Drahtskelett unterstützt wird. Die entstehenden Formen sind mal feingliedrig und kleinteilig, mal monströs und amöbenhaft. „Wichtig für ihre Wirkung sind auch die kraftvollen und leuchtenden Farben“, wie Aljoscha erläuterte. Wesentliche Inspirationsquelle ist für den Künstler die Faszination an in der Natur vorkommenden, komplexen Miniaturstrukturen, die nur durch die Linse eines Mikroskops sichtbar werden.

Auftakt der Göttinger Ausstellung war eine Street-Art-Aktion: „Object 11“, ein rotes, fleischig wirkendes Gebilde aus einem Acryl-Öl-Gemisch, zierte den Kopf der Lichtenberg-Figur am Markt und machte neugierig auf die ungewöhnliche Schau. Diese zeigt sowohl große Skulpturen, wie das staksige „White object with 2 green forms“, das an ein mit hellgrünen Algenblättern geschmücktes Gerüst denken lässt, oder das in einem kräftigen Mittelblau gehaltene „Object 103“, das Assoziationen an das Rückenskelett eines Dinosauriers hervorruft. Faszinierend anzusehen sind auch die Zeichnungen, die den filigranen Charakter der Skulpturen durch zarte Bleistiftstriche noch verstärken, oder die in Öl angefertigten „p-landscapes“, die surreal anmutende Landschaften aus zarten Pinseltupfen entstehen lassen. Witzig und unvermittelt hingegen wirken die „g-signs“ genannten Materialcollagen, die ganz unterschiedliche Stoffe zusammenführen: Im Apex zu sehen ist etwa „g-sign #2“, ein kristallines Mikrogerüst aus Acryl, das mit einem Büschel Haare kombiniert wurde. So faszinierend die feinen Gebilde und Strukturen anzusehen sind, so ist beim Betrachten von Aljoschas Objekten jedoch eine gewisse Formenredundanz sichtbar, die auch durch ungewöhnliche Materialkombinationen oder verschiedene Arbeitstechniken nicht überwunden werden kann. Ein Gang durch die Ausstellung macht dennoch Spaß, denn man scheint mitten in einen lebendigen Dialog zwischen Kunst, Wissenschaft und Natur zu geraten.

Bis Sonnabend, 23. Juli, mittwochs bis freitags von 15 bis 19 Uhr, sonnabends von 11 bis 16 Uhr im Apex, Burgstraße 46 in Göttingen. Führungen: Mittwoch, 22. Juni, um 17 Uhr und Sonnabend, 16. Juli, um 14 Uhr.